12.11.2007

Josef Bartenschlager

Wolfram und die Marktfrauen

Dollnstein (baj) Über einen mittelhochdeutschen Dichter, der mit der Gemeinde Dollnstein eng verbunden ist, beschäftigte sich vor kurzem Andreas Margraf in einem Vortrag im Dollnsteiner Laurentiushaus. Detailreich, mit profundem Wissen und zahlreichen Illustrationen ging der Leiter des Gabrieli-Gymnasiums auf den Dichter ein, der Dollnstein ein literarisches Denkmal gesetzt hat. In seinem Epos Parzival erwähnt Wolfram die Dollnsteiner Marktfrauen und ihr ausgelassenes Treiben an Fasching. Hintergründe und Umfeld dieser Textstelle beleuchtete Margraf mit viel Umsicht, und den Zuhörern war anschließen einiges klarer.

Wolfram von Eschenbach (wohl zwischen 1170 und 1220) ist als historische Figur kaum zu fassen. Deshalb erschließt sich der Dichter fast nur über seine Werke und die Aussagen, die er darin über sich trifft. Doch die dürfen nicht unbedingt für bare Münze genommen werden. So bezeichnet er sich als ungebildet, was er sicher nicht war. Er ist im Gegenteil auf der Höhe des Wissens seiner Zeit. Einerseits tritt er als Ritter auf: "Schildes Amt ist mein Beruf", aber auch als selbstbewusster Dichter: "Ich bin Wolfram von Eschenbach und ich kann auch Lieder machen."

In seinem wichtigsten, 25 000 Verse umfassenden Werk begibt sich der Titelheld auf die Suche nach dem Gral – und nach seinem eigenen Selbst. In einer Parallelhandlung erzählt Wolfram die Abenteuer von Gawan, einem Neffen König Artus’. Eine Gawan-Episode ist es auch, in der Wolfram die Dollnsteiner Marktfrauen auftreten lässt. Ritter Gawan kommt in ein Schloss, dessen Herr abwesend ist, weshalb ihn dessen Schwester Antikonie empfängt. Es ist Leidenschaft auf den ersten Blick, doch werden die beiden nach den ersten Küssen von Rittern unterbrochen. Gawan hat das Gastrecht missbraucht und muss nun gegen die Ritter des Schlossherrn kämpfen. Weil er keine Waffen zur Hand hat, nimmt er ein schweres, mit Griffen versehenes Schachbrett und haut es seinen Angreifern um die Ohren. Auch Antikonie mischt kräftig mit, indem sie die schweren Schachfiguren auf die Ritter ihres Bruders schleudert. Diese Szene illustriert Wolfram mit einem Vergleich: Die Dollnsteiner Marktfrauen hätten zu Fasenacht nie besser gestritten als Antikonie, allerdings mühten sich die Marktfrauen aus Jux und Tollerei ab, im Gegensatz zu Antikonie, deren Einsatz einen ernsten, lebensbedrohlichen Hintergrund hat.

Der Dichter gebraucht in seinem Werk mehrere solcher Vergleiche. So beschreibt er den unberührten Anger von Abenberg, als er ausdrücken will, dass auf einer Burg keine Turniere mehr abgehalten werden. Bei der Schilderung einer Hungersnot ruft er die wohl schmeckenden Krapfen aus der "Truhendinger Pfanne" in Erinnerung.

Zwei Gründe sind denkbar, warum Wolfram auf solche Vergleiche zurückgreift. Sie sind allgemein bekannt und lösen beim Publikum ein "Aha-Erlebnis" aus. Oder sie stellen eine Hommage an seine Gastgeber und Förderer dar. Vielleicht gehörte auch der Graf von Dollnstein zu ihnen. Nachdem der Dichter Franken gut gekannt haben muss, ist sich Margraf sicher, dass der Dichter auf dieser Burg zu Gast weilte, die Verhältnisse dort kannte und das närrische Treiben zur Fastnacht miterlebt hat. Besonders reizvoll wäre die Vorstellung, dass Wolfram seinen Parzival in ebendem Saalbau vorgetragen hat, der kürzlich bei archäologischen Ausgrabungen in der Burg Dollnstein zutrage gefördert wurde. Zeitlich würde es jedenfalls passen.

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